Grün in einer Welt von Gold

Zu den ursprünglichen Zielen der Open Access-Bewegung gehörte die strukturelle Transformation der akademischen Publikationslandschaft. Die damals empfohlenen Strategien waren der Weg des Self-Archiving (also der Veröffentlichung beziehungsweise parallelen Archivierung über gesicherte Repositorien) und die Etablierung von alternativen Fachzeitschriften, welche direkt Open Access erscheinen. Da jede Publikation Kosten mit sich bringt, die abgedeckt werden müssen, sollten ebenso Finanzierungsmodelle entwickelt werden, die das Publizieren in Open Access ermöglichen.

Die Verlagsbranche stand Open Access zunächst skeptisch gegenüber und versuchte, es zu konterkarieren. Nach kurzer Zeit allerdings baute sie es aktiv nach ihren eigenen Interessen auf (Annemark, 2017). Dabei wurden zwei von den drei Empfehlungen gefördert, die die Budapester Deklaration1 hervorgehoben hatte, nämlich die Entwicklung neuer Finanzierungsmodelle und die Kreation von alternativen Fachzeitschriften. So entstanden in den letzten zwanzig Jahren viele neue Zeitschriften oder bereits existierende wurden auf ein Open Access-Modell umgestellt. Diese Kreationen und Transformationen kamen zusammen mit neuen Finanzierungsmodellen; unser Vokabular erweiterte sich mit den «Gold-Lösungen» und den «Article Processing Charges» (kurz APC genannt).

Anders ausgedrückt: Einundzwanzig Jahre später sieht die Welt tatsächlich anders aus und eine Transformation hat stattgefunden. Open Access ist keine Ausnahme mehr, sondern ein integraler Bestandteil der Publikationslandschaft und der Hochschulpolitik. So visiert etwa die Nationale Open-Access-Strategie der Schweiz für wissenschaftliche Publikationen bis Ende 2024 100 % Open Access an.2 Diese neue Welt ist jedoch keineswegs befriedigend. Die Kosten für die Bibliotheken sind nicht geringer geworden, da die Lösungen vor allem den Interessen der großen Verlage dienen. Sowohl Publizierende als auch Bibliotheken müssen die geeigneten Publikationswege zwischen unterschiedlichen Fördervorgaben und einem wenig überblickbaren Angebot an Open Access-Optionen finden, wobei die Publikationskosten für Gold in teilweise unerreichbare Höhe gestiegen sind. Autor:innen und Bibliotheken müssen eine neue Herausforderung – die Kosteneinschätzung – meistern. Um alles noch komplexer zu machen, müssen sie auch die Qualität der Open Access-Zeitschriften mit APC-Modellen einschätzen. Die Grenzen zwischen mangelhafter Qualität und vorsätzlich betrügerischen Geschäftsmodellen (Predatory Publishing) sind nicht auf den ersten Blick ersichtlich (Dengler, 2023). Von Forschenden ist zu vernehmen, dass die Zahl der aufdringlichen Werbemails von tatsächlichen oder vermeintlichen Verlagen massiv zugenommen hat.

Mäßig befriedigend sind auch die transformativen «Read & Publish» Verträge (in Deutschland vor allem im Rahmen des DEAL-Projektes). Es hat weder die erhoffte kostenneutrale Umstellung von Hybrid auf Gold stattgefunden, noch können die Angebote ausreichend genutzt werden. Sei dies, weil bestimmte Kontingente schon in der zweiten Jahreshälfte aufgebraucht sind oder die Auswahl der Zeitschriften vorgegeben ist, so dass besonders Forschende aus den technischen und naturwissenschaftlichen Disziplinen davon profitieren.

Kurzum: Aktuell ist das Panorama von kostenintensiven Lösungen dominiert (Gold und Hybrid OA). Die Open Access-Zweitveröffentlichung, die «grüne Alternative», führt ein Schattendasein oder wird als unattraktiv bezeichnet. Es kann daher nicht überraschen, dass im Jahr 2022 die aktualisierte Version der Budapester Open Access Deklaration für eine tiefgreifende Revidierung der Lage plädierte (Šimukovicˇ, 2023).3

Wir vom Projekt GOAL denken, dass die Zeit gekommen ist, Open Access zu überdenken und den aktuellen Entwicklungen anzupassen. Nach wie vor gibt es Gründe, die für Open Access sprechen. Texte, die Open Access veröffentlicht werden, erhalten mehr Resonanz als Texte, die in „closed” Zeitschriften publiziert werden (Wenaas, 2022). Auch die Forderungen nach mehr Demokratie und Transparenz lassen sich nicht einfach zur Seite schieben.

Zweitveröffentlichen, heutzutage als «Grün Open Access» bekannt, ist eine nachhaltige Option, um Open Access weiter zu verbreiten, die wir aus dem Schatten von Gold oder Hybrid heraus ins Rampenlicht bringen möchten. Der grüne Weg hat ein noch weit unausgeschöpftes Potenzial, das Bibliodiversität fördert und von dem Autor:innen, Bibliotheken, sowie kleinere landessprachliche Fach- und Verbandszeitschriften beziehungsweise Verlage, profitieren können. Unser Projekt GOAL – Unlocking the Green Open Access Potential (https://opengoal.ch/), läuft seit Januar 2022 und kann bereits von ersten Ergebnissen bei den Bestrebungen zur Förderung von Grün Open Access berichten.

Die Berichterstattung der vergangenen 20 Monate soll das Gestaltungspotential von interbibliothekarischer Kooperation thematisieren und zeigen, wie die «grüne Lösung» eine Alternative sein kann. Zum Einstieg werden wir den Ursprung und die Ziele des Projektes GOAL darstellen. Darauffolgend fokussieren wir auf unsere bisherigen Erfahrungen bei der angestrebten Kollaboration zwischen Zeitschriftenredaktionen und Hochschulbibliotheken. Wir berichten, wie wir uns als über die Schweiz und verschiedene Institutionen verteiltes Team organisieren. Anhand eines Beispiels zeigen wir, welche ersten Erfolge wir verbuchen können und wo unsere Ideale von der Wirklichkeit abweichen.

Der Ursprung: Von OA-EASI zu GOAL

GOAL basiert auf den Ergebnissen seines Vorgängerprojektes, «OA-EASI – Open Access for Educational and Applied Sciences»4, welches ebenfalls von swissuniversities gefördert wurde und das Publikationsverhalten von Angehörigen an Schweizer Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen untersuchte. Dabei wurde anhand einer Datenanalyse aus den betreffenden Hochschulrepositorien festgestellt, dass im Gegensatz zu den Universitäten häufig in kleineren landessprachlichen Fach- und Verbandszeitschriften publiziert wird. Außerdem wurden mit einer kleinen Auswahl an (zahlenmäßig) besonders relevanten Zeitschriften Expert:inneninterviews durchgeführt, um die Haltung der Redaktionen zu Open Access zu erfragen. Die Reaktionen waren mehrheitlich positiv, jedoch zeigte sich, dass eine Umstellung auf Open Access nur unter gewissen Bedingungen möglich ist. Die technisch und personell limitierten Ressourcen verunmöglichen eine komplette Umwandlung der Zeitschriften zu Gold oder Diamond Open Access (Rosenkranz et al., 2022). Ebenso zeigen sich größere Hürden aufgrund der sehr diversen und komplexen Finanzierungsmodelle dieser Zeitschriften. Da viele jedoch bereits niederschwellig zugänglich sind und einer Weiterverwendung nicht grundsätzlich abgeneigt, zeigte sich hier das Potential des grünen Weges. Diese Ergebnisse von OA-EASI wurden genutzt, um GOAL als Projekt zu entwickeln.

Das GOAL-Projekt: Unlocking Green Open Access in Switzerland

Das GOAL-Projekt, mit einer Laufzeit von drei Jahren (2022–2024, gefördert von swissuniversities und angesiedelt an der Bibliothek der ZHAW, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften), ist die kollektive Bestrebung einer Gruppe Schweizer Hochschulbibliotheken, die über den grünen Weg die Kooperation mit kleineren Verlagen sowie öffentlichen oder halböffentlichen Institutionen, die ergänzend zu ihrem eigentlichen Auftrag eine eigene Zeitschrift herausgeben, fördern möchte. Unser Kernteam besteht aus Open-Access-Spezialist:innen von fünf unterschiedlichen Bibliotheken an Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen. Zu diesen gehören: ZHAW – Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, HSLU – Hoch- schule Luzern, FHNW – Fachhochschule Nordwestschweiz, ZHdK – Zürcher Hochschule der Künste und von der PH-Freiburg – Pädagogische Hochschule Freiburg.

Im ergänzenden Sounding Board mit Beratungsfunktion sind zwölf weitere Bibliotheken vertreten.5 Auf diese Weise bringt GOAL nicht nur Bibliotheken und Redaktionen an einen Tisch, sondern es stärkt auch landesweit die Zusammenarbeit zwischen Bibliotheken an Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen. Die Meetings mit dem Sounding Board finden einmal pro Semester online statt. Sie dienen der Berichterstattung über die aktuellen Arbeitspakete sowie der Weiterentwicklung des gesamten Projektes. Außerdem wird die Meinung der Boardmitglieder zu konkreten Fragen und Herausforderungen abgeholt.

Wir verfolgen gleich mehrere miteinander verbundene Ziele: An erster Stelle soll die Zweitveröffentlichung in Hochschulrepositorien dank passender Policies der Zeitschriften gefördert werden, so dass die Publikationen von Forschenden an Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen mehr Resonanz finden sowie das Open-Access-Volumen erhöht wird. Zweitens sollen die betreffenden Zeitschriften beziehungsweise Verlage für ihr Publikum weiterhin attraktiv bleiben, ohne dass sie ihre Finanzierungsmodelle und die technischen Infrastrukturen radikal ändern müssen. Drittens ist das Projekt bestrebt, eine kostengünstige und nachhaltige Lösung für alle involvierten Parteien (Autor:innen, Redaktionen, Bibliotheken und die Leserschaft) zu finden.

Um diese Vision des grünen Weges in die Wirklichkeit umzuwandeln, hat sich das Team konkrete Ziele gestellt: Im Dialog mit den Verleger- und Herausgeber:innen entwickeln wir multilinguale Green Open Access Policies, die die Zeitschriften implementieren sollen. Die vereinbarten Policies sind danach auf deren Websites zugänglich, ergänzend werden sie entweder in einer öffentlich zugänglichen Datenbank auf der Projektwebsite zur Verfügung stehen, oder, sofern die Zeitschrift die Kriterien erfüllt, in die Datenbank Sherpa Romeo aufgenommen.6 Besonders letzteres erhöht ihre internationale Visibilität. Ein weiteres Ziel ist die effizientere Gestaltung der Workflows zwischen Redaktionen und Bibliotheken. Die möglichst umfängliche Selbstarchivierung der Publikationen in den Repositorien soll durch die Definition von manuellen oder halb- automatisierten Workflows vereinfacht werden. Zudem dokumentieren wir unsere Erfahrungen und gewonnenen Kenntnisse. Damit sollen beim Projektende «Best Practices» der Implementierung von Open Access Policies entstehen, die auf der Projektwebsite zugänglich sind.

Von der Idee zur Praxis: Ein Werkstattbericht aus anderthalb Jahren GOAL

Die ersten Schritte von GOAL waren von organisatorischen Fragen geprägt (teaminterne Kommunikation, Meetingstruktur, Gestaltung des kollaborativen Arbeitens). In der ersten Projektphase sind vor allem eine Projektwebsite, ein erkennbares Logo und eine Zenodo-Community entstanden. Zudem haben wir aktiv an verschiedenen größeren Veranstaltungen – wie den Open-Access-Tagen 2022 in Bern und 2023 in Berlin – teilgenommen.7 Außerdem wurden die Daten der Publikationsanalyse über das Publikationsverhalten von Angehörigen an Schweizer Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen aktualisiert.8 Des Weiteren ist die geplante Datenbank im Aufbau und die ersten Ergebnisse der Verhandlungen sind auf unserer Projektwebsite sichtbar.9

In der zweiten Projektphase gilt es, die Kluft zwischen Ideal und Praxis zu überwinden – im Fokus standen und stehen dabei die Verhandlungen mit Zeitschriften über die Annahme und Umsetzung einer grünen Open-Access-Politik. Als Orientierung dafür diente uns die anhand der Publikationsanalyse erstellte Kartographierung der Publikationslandschaft Schweiz. Aus ihr wird ersichtlich, in welchen Zeitschriften besonders häufig publiziert wird, welche Institution sie herausgibt oder wer zum Zielpublikum gehört.

Ein entscheidender Schritt bei den Verhandlungen ist die Vorbereitungsarbeit. In dieser Phase werden die Charakteristika der betreffenden Zeitschrift identifiziert. Anhand einer Online-Recherche, bei der die Website der Zeitschrift im Zentrum steht, sammeln wir Informationen zu folgenden Punkten:

  • Unterscheidung wissenschaftliche oder praxisorientierte Zeitschrift,
  • Disziplin beziehungsweise Thematik,
  • Geschäftsmodell (Abonnement, Mitgliedschaft etc.),
  • Finanzielle Struktur (Verein, Hochschulinstitution, öffentliche/halböffentliche Institution, privates Unternehmen),
  • Unterscheidung digitale und/oder gedruckte Erscheinungsweise,
  • Vorhandensein DOI oder ISSN,
  • Anzahl der Ausgaben pro Jahr,
  • beteiligte Personen (Autor:innen, Redakteur:innen),
  • Ressourcen in den Redaktionen (Teilzeit, Vollzeit, Ehrenamt),
  • Unterscheidung Einsprachig- oder Mehrsprachigkeit,
  • Zielpublikum (Fachverbände, Wissenschaft, private Unternehmen),
  • Nähe zur Wissenschaftscommunity,
  • Existieren bereits Faktoren, die die Umsetzung von Open Access erleichtern? (Online- Lesezugang oder ähnliches)
  • Werden in den Publikationen Drittmaterialien verwendet, die bei der Wahl der Lizenz zu berücksichtigen sind?
  • Können wir auf bereits existierende Kontakte aus unserem Umfeld anknüpfen?

Die hier nicht abschließend aufgelisteten Checkpunkte geben uns eine Orientierung bei der Zielsetzung und helfen, bereits im Voraus individuell angepasste Angebote auszuarbeiten.

In der maßgeschneiderten Lösung müssen sowohl die einzelnen Elemente der Policy als auch deren langfristige Umsetzung mitgedacht werden. Je nach Entscheidungskompetenzen in den Redaktionen bedeutet bereits die Erstellung und Verabschiedung einer Policy, dass weitere Entscheidungsträger:innen einzubeziehen sind. Sofern die Policy als separates Dokument erstellt wird, muss ein geeigneter Ort auf der Website gefunden werden. Als Alternative kann eine verkürzte Version der Richtlinien im Impressum oder den Autor:innenrichtlinien aufgeführt werden.

Folgende Punkte stellen aus Sicht des GOAL-Projektes ein ideales Verhandlungsergebnis dar:

  • Nutzungslizenz CC BY, Rechte an Drittmaterialien geklärt
  • Policy auf Website der Zeitschrift
  • Lizenz im PDF vermerkt

Abbildung 1: Anweisungen zu Open Access beziehungsweise Zweiveröffentlichungsrechten im Impressum der Zeitschrift.

  • Journal auf Sherpa Romeo gelistet (erfüllt Kriterien)
  • publizierte Version als PDF an Autor:innen oder Bibliotheken

Trotz sorgfältiger Vorbereitung vor der ersten Kontaktaufnahme gibt es immer eine Unbekannte zwischen idealem Ziel und tatsächlicher Umsetzung. In der Praxis lassen sich unerwartete Fragen oder unbeachtete Perspektiven seitens der Redaktionen nicht komplett vermeiden; Anpassungen und Kompromisse sind nötig, um eine Policy zu vereinbaren.

Anhand einer Zeitschrift aus der schweizerischen Bundesverwaltung, einer öffentlichen Institution, möchten wir unsere Herausforderungen und Learnings beschreiben. Die Autor:innen der Zeitschrift stammen aus Verwaltung, Versicherungen, Sozialen Institutionen sowie aus der Forschung. Seit 2021 erscheint die Zeitschrift ausschließlich in elektronischer Version. Die Artikel sind frei zugänglich, jedoch – mit Verweis auf integrierte Drittmaterialien – ohne freie Lizenz. Es wurde entschieden, kein separates Dokument für die Policy zu erstellen, sondern einen Hin- weis im Impressum auf der Website anzubringen (vergleiche Abbildung 1). Der zuvor schon existierende Hinweis zum Copyright sollte beibehalten und um die Open Access Policy ergänzt werden. Von GOAL wurden zwei denkbare Varianten für die Formulierung einer Policy zur Verfügung gestellt, die danach im Team der Zeitschrift besprochen und an gewissen Stellen angepasst wurden. Nachdem die Redaktion sich für die endgültige Version entschieden hatte, wurde der deutsche Text von einem Mitglied des GOAL-Teams ergänzend ins Französische übersetzt.

Die Klärung von urheberrechtlichen Fragen erwies sich schnell als eine der größten Herausforderungen bei der Umsetzung von Green Open Access. Die unendlichen Verbreitungs- und Wiederverwendungsmöglichkeiten in der digitalen Welt bedeuten, dass die Rechte für Drittmaterialien, anders als in den gedruckten Versionen, (aus)gehandelt werden müssen. Je vielfältiger die Herkunft der integrierten Drittmaterialien, desto aufwändiger sind die Rechteabklärungen. Daher ist entscheidend, wie hoch der personelle Aufwand eingeschätzt wird und ob dieser in den Redaktionen für jede Ausgabe geleistet werden kann. Die Alternativen zu umfangreichen Abklärungen von integrierten Drittmaterialien sind restriktivere Lizenzen, der explizite Ausschluss von Drittmaterialien aus offeneren Lizenzen oder eine erhebliche Einschränkung der zur Verfügung stehenden Quellen für die Autor:innen.

Bei dem oben genannten Beispiel war die Vergabe einer CC-Lizenz aufgrund der integrierten Drittmaterialien nicht möglich: Die Inhalte richten sich zwar explizit an eine möglichst breite Öffentlichkeit, jedoch soll das Urheberrecht eingehalten und besonders eine kommerzielle Nachnutzung ausgeschlossen werden. Lediglich die Weiterverbreitung soll eine Erleichterung erfahren. Von dieser Lösung profitieren insbesondere die Hochschulen und nicht profitorientierte Fachkreise, sowie Privatpersonen. Faktisch wurde mit dieser Lösung ein gewisses Maßs an Offenheit geschaffen, die Erkenntnisse sind im Internet frei zugänglich und sie können vom Zielpublikum im nicht kommerziellen Bereich geteilt werden. Die Nachnutzung bleibt jedoch in einem geschlossenen Bereich. Insgesamt ist die Policy eher schwer verständlich formuliert und sorgt nicht für eine Abschaffung des rechtlichen Graubereichs des Status quo. Für die Mitarbeitenden an den Hochschulen wird jedoch klar, dass dem Upload der Artikel in den Repositorien nichts entgegensteht.

Bei dieser Zeitschrift zeigt sich auch exemplarisch der Publikationsalltag und die damit verbundenen Hürden für die Umsetzung von Zweitveröffentlichungen:

  • OA-light: Erlaubnis zur Zweitveröffentlichung gemäß Urheberrecht auf dem Repositorium der Hochschule der Autor:innen. Vergabe einer CC-Lizenz eher selten.
  • Hinweis zu den Bedingungen der Zweitveröffentlichung ist im Impressum der Zeitschrift oder in den Autor:innenrichtlinien integriert. Keine ausformulierte Policy vorhanden.
  • PDF ist auf der Website zum Download oder über die Autor:innen verfügbar.
  • Die Redaktionen können keine strukturierten Metadaten liefern.
  • Die Artikel haben keinen DOI.
  • Die Zeitschrift hat keine ISSN.

Damit die Vorgaben in der Policy langfristig umgesetzt werden können, muss darüber hinaus definiert werden, auf welchem Weg die Beiträge der Forschenden in die Repositorien gelangen. Sind sie als PDF auf der Webseite der Zeitschrift verfügbar oder wird den Autor:innen automatisch ein Exemplar von der Redaktion zur Verfügung gestellt? Ist es möglich, den Beitrag auf Artikelebene zu erhalten oder nur als ganze Ausgabe? Inwiefern werden die Autor:innen in den Kommunikationsprozess mit eingebunden, so dass sie weder zusätzlich belastet noch übergangen werden?

Auch bei dieser Frage können sich unerwartete Hürden zeigen. In unserem Beispiel werden die Texte direkt in ein WordPress-«Gefäss» gegossen und dann auf der Website publiziert. So- mit verfügen weder Autor:innen noch die Redaktion über ein PDF des publizierten Artikels. Ein Download als PDF auf der Webseite ist technisch zwar möglich, optisch jedoch unbefriedigend. Das Team der Zeitschrift hat auch diesen Punkt diskutiert, jedoch aus Ressourcengründen entschieden, an diesem Verfahren nichts zu ändern. Neben einer «finalen PDF-Version» fehlen strukturierte Metadaten der Artikel, sowie ein DOI oder eine ISSN.

Der hier diskutierte Fall zeigt, dass bei der Erstellung einer Policy nicht nur die Haltung gegenüber Open Access, sondern auch die individuellen Ressourcen und technischen Voraussetzungen in den Redaktionen berücksichtigt werden müssen. Auch das ist eine Aufgabe, die sehr viel Zeit erfordert, weshalb das Team von GOAL aufgrund von Informationen aus Erstgesprächen sowie eigenen Recherchen auf den Webseiten der Zeitschriften massgeschneiderte Policies

und gegebenenfalls Workflows ausarbeitet. Es handelt sich dabei jedoch um Vorschläge, die von den Redaktionen angenommen, verworfen oder überarbeitet werden können. Die angebotene Lösung darf nicht als Einmischung in die eigenen Angelegenheiten oder als Kritik wahrgenommen werden.

Als Fazit des angeführten Beispiels lässt sich festhalten, dass wir es bei dieser Zeitschrift mit einer sehr offenen und kooperativen Redaktion zu tun hatten. Unsere Vorschläge wurden gewissenhaft geprüft und an die eigenen Bedürfnisse angepasst. Die Anbindung der Redaktionsmitglieder an die wissenschaftliche Community und die Kenntnisse zu Open Access waren eher gering, die Offenheit für unsere Argumente hingegen groß. Auch von Seiten des GOAL-Teams war zu diesem Zeitpunkt noch wenig Erfahrung vorhanden. Alle diese Faktoren zeigen sich in dem zwar nicht perfekten, jedoch sehr positiven Ergebnis und in der angenehmen Zusammenarbeit.

Fazit: Grün Open Access und die Rolle der Bibliotheken

Wie das Beispiel zeigt, ist eine Förderung von Grün Open Access möglich und nachhaltig. Die einzigen damit verbundenen Kosten für die Zeitschriften betreffen die Zeit für Meetings mit GOAL, eventuelle Anpassungen der Policy und die Klärung der Workflows bei deren Implementierung. In der Regel handelt es sich dabei um einen Aufwand von wenigen Stunden. Seitens der Bibliotheken ist die Lage etwas komplexer. Die Expertise betreffend der Kenntnisse um Grün Open Access ist mehrheitlich vorhanden oder kann in Detailfragen innerhalb des bibliothekarischen Netzwerkes eingeholt werden. Da, wo das Wissen einer Einzelperson nicht reicht, tauchen die Kolleg:innen als Unterstützung auf. Die Zirkulation von Wissen zwischen den Bibliotheken kommt allen zugute. Alle Bibliotheken investieren ein bisschen Zeit für den gegenseitigen Informationsaustausch und die Verhandlungsvorbereitungen. Jede neue vereinbarte Lösung (Policy und Workflows) bereichert den gemeinsamen Erfahrungsschatz.

Bibliotheken prägen die Open-Access-Landschaft nicht nur durch ihre Expertise, sie ermöglichen einen beträchtlichen Teil der Umsetzung auch durch das Betreiben der Repositorien, durch weitere technische Lösungen und ihre tägliche Arbeit als Dienstleistende für Publizierende und Forschende. Anders ausgedrückt, sie sind fundamentale Akteure, wenn es um die Infrastruktur geht, auf der Open Access basiert (Šimukovicˇ, 2023: 281–318). Policies für Grün Open Access sind für Bibliotheken günstig und nachhaltig, weil sie diese schon existierende Infrastruktur nutzen. Da Bibliotheken auch eine langfristige Archivierungsaufgabe von publizierten Materialien haben, müssen sie Repositorien unterhalten, auf denen die Zweitveröffentlichungen erfolgen können.

Kurzum: Grün Open Access zeigt die entscheidende Rolle von Bibliotheken. Durch Kooperation können Bibliotheken die Open-Access-Landschaft aktiv prägen und mitgestalten. Im Fall des Projektes GOAL wurden bis dato dreizehn Policies vereinbart und implementiert, sieben weitere wurden vereinbart und müssen noch von den Zeitschriften veröffentlicht werden.

Dieses Gestaltungspotential muss aber im Einklang mit der alltäglichen Realität kommen. Im Aufsatz haben wir geschildert, welche Vorarbeiten nötig sind und wie die Abweichungen zwischen Ideal und Praxis aussehen. Zusammenfassend haben wir drei große Hürden identifiziert, die unsere Ergebnisse beeinflussen:

  • Die Rechteklärung der verwendeten Drittmaterialien in den Publikationen erweist sich als größte Hürde und Fass ohne Boden bei der Vergabe von CC-Lizenzen.
  • Die meist personell stark begrenzten Ressourcen in Redaktionen und Bibliotheken, welche für den Prozess mitgedacht werden müssen. Das betrifft sowohl die Erstellung der Policies als auch die Gewährleistung der zukünftigen Workflows.
  • Die Vorbehalte gegenüber «Offenheit» beziehungsweise Angst vor nicht absehbaren finanziellen oder rechtlichen Folgen beeinflusst die Ausformulierung der Policies.

Literaturliste

1) Budapest Open Access Initiative, siehe https://www.budapestopenaccessinitiative.org/read/

2) Nationale Open-Access-Strategie der Schweiz, siehe https://www.swissuniversities.ch/fileadmin/swissuniversiti es/Dokumente/Hochschulpolitik/Open_Access/Open_Access strategy_final_DE.pdf

3) The Budapest Open Access Initiative:20th Anniversary Recommendations siehe https://access2perspectives.org/2022/03/the-budapest-open-access-initiative20th-anniversary-recommendations/

4) Projekt «OA-EASI – Open Access for Educational and Applied Sciences» siehe https://oa-easi.ch/das-projekt/

5) GOAL Sounding Board. siehe https://opengoal.ch/team/sounding-board/

6) Sherpa Romeo, siehe https://v2.sherpa.ac.uk/romeo/

7) Zenodo Community für Projektpublikationen, siehe https://zenodo.org/communities/goal/?page=1&size=20 Poster Open-Access-Tage 2022: Wie das GOAL-Projekt nachhaltige Kollaborationen zwischen Menschen, Maschinen und Strukturen fördert, siehe https://doi.org/10.5281/zenodo.7038764 Vortrag Open-Access-Tage 2023: Gemeinsam den Grünen Weg gehen: Werkstattbericht des Projekts GOAL, siehe https://doi.org/10.5281/zenodo.8389619

8) «Bericht der Publikationsanalyse im Projekt GOAL», siehe https://doi.org/10.5281/zenodo.7086670

9) Liste «Journals with Green Open Access Policy», siehe https://opengoal.ch/project-goal/results/

Annemark, M. (2017). Open Access och Big Business: hur Open Access blev en del av de stora förlagen [Open Access and Big Business: How Open Access Became a Part of Big Publishing]. Lund, Lund University (Master thesis). Link online: https://lup.lub.lu.se/student-papers/sea rch/publication/8923551 [Accessed 10.10.2023]

Dengler, J. (2023). „Priorities in journal selection for authors, reviewers, editors, librarians and science funders.“ Vegetation Classification and Survey, 4: 1219–229. DOI: https://doi.org/10.389 7/VCS.110296 [Accessed 10.10.2023]

Rosenkranz, S., Halbherr, V., Stricker, M., Reimer, N., Andres, V., Trautwein, C., Streitenberger,

M. (2022). «Open Access an Fachhochschulen, Hochschulen für angewandte Wissenschaften und Pädagogischen Hochschulen – Ergebnisse zweier Untersuchungen aus Baden-Württemberg und der Schweiz» Informationspraxis, 8:1 (Preprint), https://via.hypothes.is/https://informatio nspraxis.files.wordpress.com/2022/03/rosenkranz_etal_2022.pdf [Accessed 10.10.2023]

Šimukovicˇ, E. (2023). Of hopes, villains, and Trojan horses: Open Access academic publishing and its battlefields. Wien, Universität Wien (Doctoral thesis). DOI: https://doi.org/10.21256/z haw-28350 [Accessed 10.10.2023]

Wenaas, L. (2022). Open Access: A Change in Academic Publishing with Limited Reach? Oslo, University of Oslo (Doctoral thesis). Link online: http://hdl.handle.net/10852/97555 [Accessed 10.10.2023]

Autor:innen:

Dr. Enrique Corredera ist promovierter Historiker im Rahmen einer Cotutelle zwischen der Universität Konstanz (Deutschland) und der Universidad Complutense de Madrid (Spanien). Zwischen 2017 und Juli 2021 war er Postdoktorand und Lehrbeauftragter an der Universität Bern. Seit Januar 2021 arbeitet er an der Hochschulbibliothek der ZHAW (ROR ID: https://ro r.org/05pmsvm27), als Teil von Research & Infrastructure. Sein Schwerpunkt ist Open Science. Dr. Corredera ist seit Januar 2022 Projektkoordinator von GOAL. ORCID ID: https://orcid.org/ 0000-0002-4909-2415

Valérie Andres hat Osteuropäische Geschichte und Russisch studiert und sich auf Fotografie als historische Quelle spezialisiert. Sie hat einen MAS in Information Science und ausgewiesene Erfahrung im Bereich Bildrechte (Redakteurin im Pressebildbereich einer Bildagentur, Spezialistin für Bilder im Staatsarchiv Aargau und ETH Bildarchiv). Seit 2016 ist sie an der Fachhochschule Nordwestschweiz tätig und hat dort das Thema Open Access aufgebaut. Sie ist die Verantwort- liche für Open Access an der FHNW und Co-Präsidentin des Schweizer AKOA (Arbeitskreis Open Access).

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